Blitze spalten Stickstoff- und Sauerstoffmoleküle in der Atmosphäre auf und erzeugen reaktive Chemikalien, sogenannte Radikale, die nur kurz lebensfähig sind und schnell mit anderen Stoffen in der Luft reagieren. Ein Team von Atmosphärenchemikern und Blitzforschern hat herausgefunden, dass Blitze und überraschenderweise auch unsichtbare Entladungen, die weder mit Kameras noch mit bloßem Auge zu erkennen sind, hohe Mengen des Hydroxylradikals (OH) und des Hydroperoxylradikals (HO2) produzieren können.
Das Hydroxylradikal ist in der Atmosphäre bedeutsam, weil es chemische Reaktionen auslöst und Moleküle wie das Treibhausgas Methan aufspaltet. OH ist der Haupttreiber für viele Veränderungen der Zusammensetzung in der Atmosphäre.
Das Kuriose bei dieser Studie ist, dass die Forscher anfangs ihren Messungen nicht trauten, da diese extrem hohe Konzentrationen von OH und HO2 in den Wolken anzeigten. Die Wissenschaftler entfernten die zunächst unplausibel erscheinenden Signale aus dem Datensatz und hoben sie für spätere Untersuchungen auf.
Die Daten stammten von einem Instrument an Bord eines Flugzeugs, das 2012 über Colorado und Oklahoma geflogen war, um die chemischen Veränderungen zu untersuchen, die Gewitter und Blitze in der Atmosphäre verursachen.
Erst bei späteren Untersuchungen zeigt sich, dass die Messwerten tatsächlich von Hydroxyl und Hydroperoxyl verursacht wurden. Die Forscher versuchten dann, ob diese Signale durch Funken und unsichtbare Entladungen im Labor erzeugt werden könnten. Dann führten sie eine erneute Analyse der Daten durch. Dabei gelang es, die extremen Messwerte, die das Instrument beim Flug durch die Gewitterwolken sah, mit den Blitzmessungen vom Boden aus zu verknüpfen.
Flugzeuge vermeiden es normalerweise, mitten durch die Gewitterwolken zu fliegen, weil die Auf- und Abwinde gefährlich werden können. Weniger gefährlich ist es aber, im Amboss, also im oberen Teil der Wolke zu fliegen und zu messen. Sichtbare Blitze entstehen in dem Teil des Ambosses, der sich in der Nähe des Gewitterkerns befindet.
Es war bereits bekannt, dass Blitze Wasser aufspalten können, um Hydroxyl und Hydroperoxyl zu bilden, aber dieser Prozess war noch nie in Gewittern beobachtet worden. Was die Forscher zunächst verwirrte, war, dass das Instrument hohe Werte von Hydroxyl und Hydroperoxyl in Bereichen der Wolke aufzeichnete, in denen kein Blitz vom Flugzeug oder vom Boden aus sichtbar war.
Experimente im Labor zeigten, dass schwacher elektrischer Strom, der viel weniger energiereich ist als der eines sichtbaren Blitzes, dieselben Komponenten erzeugen kann. Die Ergebnisse dieser Forschungen können in Zukunft genutzt werden, um Modelle der Atmosphärenchemie zu verbessern.